„Etwas teile ich jedenfalls mit Kafka und Musil“, schreibt ihr Zeitgenosse Hermann Broch, „wir haben alle drei keine eigentliche Biographie; wir haben gelebt und geschrieben, und das ist alles.“ Tatsächlich verlief das Leben dieser drei Großen äußerlich unauffällig und in bescheidenen Bahnen, und Robert Musil bekennt sogar ausdrücklich: „Persönliches werde ich nur selten notieren und nur, wenn ich glaube, dass es mir einst von geistigem Interesse sein wird.“ Die damit vorgegebene Zielrichtung ist klar: Dem Dichter kommt es ausschließlich auf das Wesentliche an, und das ist sein künstlerisches Werk.

Wenn aber ein Künstler mit diesem Werk einmal Weltruhm erlangt hat, dann wächst auch die Neugier nach dem Autor, seinem Leben, seinem Umfeld, nach seinen Problemen und ihren Lösungen. Max Brod hat als erster das weltweite Interesse an seinem langjährigen Freund Franz Kafka genutzt und in seiner vielbeachteten Biographie die Erinnerungen an über 20 gemeinsame Jahre veröffentlicht. Sie wurden ergänzt durch die schnell vergriffene erste Auflage der „Gespräche mit Kafka“ von Gustav Janouch. Klaus Wagenbach recherchierte wissenschaftlich die Biographie der Jugend des Dichters, und Hartmut Binder trug dann in seinem zweibändigen Handbuch alles zusammen, was mit dem Namen Kafka in irgendeiner Form in Verbindung gebracht werden konnte. In seinen Bahnen wandelt auch Hans-Gerd Koch. Seine 39 Erinnerungsskizzen von Zeitgenossen reichen von Fahrstuhlgesprächen, widersprüchlichen Angaben über die bevorzugten Krawatten bis zur wöchentlichen Lieblingsspeise des Dichters, einem „Gugelhupf nach dem Rezept von Dr. Lahmann.“ Das alles aber wird jetzt in den Schatten gestellt durch „Die erste große Kafkabiographie in deutscher Sprache“ von Reiner Stach im S. Fischer-Verlag. Von den geplanten drei Bänden ist der mittlere erschienen und umfasst allein schon über 600 Seiten, zweifellos ein gewaltiges Werk!

Zur Kafka-Biografie von Reiner Stach