Kafkas „Prozeß“-Odyssee Von der Sinnlosigkeit zum Sinn

Max Brod stand im Zenith seines persönlichen Ansehens, als sein Freund Franz Kafka 1924 starb. Zweiundzwanzig Jahre hatten die beiden Dichter eng miteinander verbunden, in denen sie sich über weite Strecken sogar täglich begegnet sind. Es bleibt das unbestreitbare Verdienst Brods, das Genie seines Freundes als erster erkannt, verbreitet und wachgehalten zu haben. Als Nachlaßverwalter erzielte er bereits 1925 mit der Veröffentlichung des Roman- Fragments „Der Prozeß“ den kometenhaften Erfolg, der Kafkas Weltruhm begründete und nie mehr verblassen ließ.
Seither blieb auch der Name Brod unlösbar mit dem Namen des zweifellos größeren Prager Dichters verbunden. Der Nachlaßverwalter erkannte seine Chance, machte sich zum Gralshüter, bewachte und bewahrte sorgfältig jeden beschriebenen Zettel und veröffentlichte nach und nach postum ein Dutzend Bände von einem scheuen Autor, der zu seinen Lebzeiten nur zögernd dem Druck von etwa 300 Buchseiten zugestimmt hatte. Daß Kafka mitunter erwogen hat, seinen schriftlichen Nachlaß vernichten zu lassen, muß nicht bezweifelt werden. Daß er den Zettel mit dieser Mitteilung aber noch selbst zerknüllt hat, ist ebenso sicher, wie die ausdrückliche Weigerung Brods, ihm einen derartigen Wunsch zu erfüllen. Das Aufsehen, das um den wieder geglätteten Zettel dann später immer wieder erregt wurde, war wohl gewollter wirkungsvoller Theaterdonner.

Kafkas „Prozeß“-Odyssee: Von der Sinnlosigkeit zum Sinn