Zu seinen Lebzeiten war der zurückhaltende und schweigsame, aber dennoch sehr beliebte Kafka nur einem kleinen Freundeskreis bekannt, aus dem der umtriebige und gesellige Max Brod herausragte. Selbst ein bekannter Dichter, drängte er seinen eher widerstrebenden, aber ständig schreibenden Freund mit Erfolg immer wieder zur Veröffentlichung seiner äußerst ungewöhnlichen und bildintensiven Prosa. Der aber brachte es bis zu seinem Tode 1924 nur zu einer kleinen Reihe von Erzählungen, die heute gerade einmal ein Buch von 300 Seiten füllen. Es ist das bleibende Verdienst Brods, die einzigartige Originalität der Dichtkunst Kafkas erkannt zu haben und sofort nach dem Tod des Freundes mit der Herausgabe des Nachlasses, der schließlich auf ein Dutzend Bände anschwoll, zu beginnen. Das 1914 entstandene Roman-Fragment „Der Prozeß“ machte bereits 1925 den Anfang und erregte sogleich das spektakuläre Aufsehen, das umgehend Kafkas Weltruhm begründete. Die Intensität der völlig neuartigen dichterischen Bildersprache war derart faszinierend, daß sich jeder überwältigt fühlte und zunächst niemand nach einer tieferen Bedeutung einzelner Bilder und Kapitel, geschweige denn nach dem Struktur- und Sinngefüge des Ganzen fragte. Trotzdem wurde eine regelrechte Flut an Reaktionen ausgelöst, in denen dann allerdings alles für möglich gehalten wurde. Kafka mußte für die absurdesten Widersinnigkeiten herhalten und lieh schließlich dem größten Durcheinander und unauflöslichen Chaos sogar sprachschöpferisch seinen Namen: Kafkaesk!

Kafka im Labyrinth seiner Rezeption